, Zu Hause 1
Um 6.00 Uhr klingelt der Wecker. Ich muss doch noch eingeschlafen sein. Ich habe Schwierigkeiten mich zu orientieren. Ich stehe auf. Gehe ins Bad. Wasche mich. Sollen wir? Oder sollen wir nicht an die Ostsee fahren? Einatmen und Ausatmen.
Ich gehe ins Wohnzimmer. Josef schläft. Die Schwester inhaliert Josef. Ich gehe in die Küche. Setze Wasser auf. Für Tee und Kaffee. Uli kommt. Ich erzähle ihm. Von der Nacht. Frage, sollen wir? Ja, sagt Uli. Lass uns fahren. Zusammen mit Josef. Wir alle zusammen. Wer weiß, wie oft. Ich weiß, sage ich. Ich weiß.
Gut, sage ich. Ich bereite die Medikamente für Josef vor. Den Brei. Den Tee mit dem Movicol. Brote für uns. Packe Kekse und Gummibärchen ein. Für die Fahrt. Zwei Äpfel kommen auch mit. Klara kommt in die Küche. Ich stelle ihr eine Schüssel mit Cornflakes hin.
Uli packt im Wohnzimmer die Sachen ein. Absauge, Katheter, Spritzen und Windeln. Er füllt die kleine transportable Sauerstoffflasche auf. Es zischt.
Ich gehe zu Josef. Frage die Schwester. Sie sagt, er schläft seit dem Krampf. Seine Werte sind stabil. Gut, sage ich. Wir fahren heute an die Ostsee. Als Familie. Eine gute Fahrt wünscht sie uns. Guten Schlaf wünsche ich ihr. Dann verabschiedet sie sich.
Ich nehme Josef vorsichtig aus seinem Bett. Ziehe den halbschlafenden Josef um. Setze ihn in den MaxiCosi. Uli trägt die vielen Sachen ins Auto. Packt eine Strandmuschel ein. Ich trage Josef ins Auto. Klara darf vorn sitzen.
Wir fahren los. Es fühlt sich gut an. Josef schläft. Meine Augen sind immer bei ihm. Wir essen Brote, Kekse und Gummibärchen. Ich gebe Josef seine Medikamente. Tee. Dann den Morgenbrei. Er wird wach. Sein Kopf geht nach vorn und die Arme. Ich drücke den Punkt zwischen seinen Augen. Es hört auf. Ich sauge ihn ab. Bin hochkonzentriert.
Wir sind da. Kein Stau. Als wären wir geflogen. Uli parkt das Auto direkt am Strand in einem Parkhaus. Ich nehme Josef. Uli die ganzen Dinge. Klara ist glücklich. Wir laufen zum Strand. Es ist windig. Die Sonne kommt ab und zu raus. Es ist leer. Leer für einen Augusttag. Uli baut die Strandmuschel auf. Ich setze mich mit Josef in die Strandmuschel. Küsse ihn. Halte ihn. Sage, wir sind am Meer. Mein Bär. Das Meer.
Klara springt und hüpft. Macht Purzelbäume. Ich halte Josef. Josef, mein Josef. Ich habe ihm eine Sonnenbrille aufgesetzt. Wegen dem Wind. Dem Sand. Er kann doch nicht blinzeln, mein Josef. Dann hält Uli Josef. Ich springe mit Klara ins Wasser. Springen über jede Welle. Lassen uns den Wind ins Gesicht blasen. Lassen uns durchpusten. Uli saugt Josef ab.
Dann nehme ich ihn. Unseren Josef. Trage ihn an das Meer. Halte seine kleinen Füße ins Wasser. Er reagiert nicht. Josef, mein Josef. Spürst du das Meer? Ich nehme ihn wieder auf meinen Arm. Sage, Josef du musst nicht. Du musst gar nichts. Wie in einem Zeitvakuum fühlen wir uns. Herausgefallen aus dem Alltag. Wir zusammen am Meer. So besonders.
Hunger haben wir. Fischbrötchen wollen wir essen. Uli bringt die Strandmuschel ins Auto. Ich trage Josef im Tragetuch. Josef mit seiner Nasensonde. Seiner Sonnenbrille. Seinem Sonnenhut. Klara an meiner Hand. Wie eine normale Familie. Wir kaufen Fischbrötchen. Achten auf die Möwen. Dass sie uns ja nicht den Fisch klauen. Dann gibt es noch Eis.
Ich fühle mich stark heute. Ganz stark. Eine ältere Frau spricht mich an. Sagt, darf ich sie was fragen. Ich sage, ja. Sie fragt, warum Josef eine Sonnenbrille trägt. Ich sage, er kann nicht blinzeln. Er hat keine Schutzreflexe. Sie legt ihren Arm auf meine Schulter und sagt, viel Kraft wünsche ich Ihnen. Er ist ein schönes Kind. Ja, sage ich. Das ist er. Schön ist er. Unser Josef. Ein schönes Kind.
Wir fahren wieder los. Es ist gut so. Für länger reicht die Kraft nicht. Meine Kraft nicht. Wir kommen gut durch. Josef ist unruhig während der Fahrt. Krampft ab und zu. Nicht lange. Meine Augen, meine Sinne sind nur auf ihn gerichtet. Wir hören Hörspiel nebenher.
Zu Hause. Uli bringt die Sachen nach oben. Ich inhaliere Josef. Sauge ihn ab. Gebe ihm seinen Abendbrei. Wir schauen Kinderfernsehen. Sind glücklich. Ganz berauscht von diesem Tag. Von unserem Mut. Ein Familientag an der Ostsee. Uli bringt Klara in unser Bett. Liest ihr vor. Macht ihr das Hörspiel an. Josef schläft. Ich lege ihn in sein Bett. Herzfrequenz 122. Sauerstoffsättigung 96.
Um 21.30 Uhr klingelt es. Die Schwester. Wir gehen ins Bett. Ich schlafe sofort ein. So erschöpft bin ich.
Zuletzt aktualisiert am: 29.07.2020