, Krankenhaus

Montag. Heute ist Montag. Der letzte Montag, an dem wir zu Josef in die Klinik fahren werden. Vielleicht. Hoffentlich. Es ist noch dunkel, als wir aufstehen. Ich rufe sofort in der Klinik an. Hier ist die Mama von Josef. Wie war seine Nacht? Wie geht es ihm?

Gut geht es Josef. Er hat mehr geschlafen. Schön. Wir kommen. Gegen 9.00 Uhr sind wir da. Gut. Nach dem Telefonat pumpe ich Milch ab. Uli macht uns das Frühstück. Wir fahren Klara in die Schule. Am Tor wartet Emma auf Klara. Sie fassen sich an den Händen und rennen in die Schule. Es ist beruhigend zu sehen, dass Klara eine Freundin hat.

Heute ist es wieder sehr voll auf den Straßen. Montag. Uli hält zwischendurch an einem Briefkasten, damit ich den Brief für das Elterngeld einstecken kann.

Dann rufe ich die Pflegedienstleitung an. Hier ist die Mama von Josef. Eine Frage haben wir noch. Josef hat eine Nasensonde. Können ihre Pflegekräfte Nasensonden legen? Falls sie rausrutscht. Die Nasensonde. Ja, kein Problem. Das können die Pflegekräfte. Gut. Dann sind wir beruhigt. Bis morgen. Ja, bis morgen.

Heute haben wir keinen Parkplatz vor der Klinik und müssen ein wenig laufen. Uli ruft auf dem Weg zur Klinik den Sauerstoffmann an. Der Sauerstoffmann meint, er mache morgen sowieso seine Tour durch unseren Ort. Er bringt dann morgen die Sauerstofftonne und macht eine Einweisung. Gut. Er bittet um unsere Telefonnummer, falls was ist.

Wir gehen durch die Notaufnahme. Die Treppe rauf. Den Gang entlang. Wir klingeln an der Schleuse. Gehen hindurch. Den Gang runter. Dann rechts. Wir schließen unsere Sachen ein. Desinfizieren unsere Hände. Ich stelle die Milch in den Kühlschrank. An den beiden Inkubatoren vorbei gehen wir in Josefs Zimmer. Dort ist die Ärztin und eine andere Frau mit einem Gerät. Sie machen gerade das Hörscreening. Die U-Untersuchungen müssen auch noch gemacht werden. Gut.

Kann er hören? Ich glaube nicht, sagt sie. Der Test müsste nochmal wiederholt werden. Vielleicht auch ein anderer gemacht werden. Sie kann jedenfalls nicht feststellen, ob Josef hören kann. Josef, mein Josef, wir sind da. Sage ich, murmel ich und küsse ihn. Ich warte bis meine Hände warm werden und berühre ihn dann. An der Wange, auf der sein Pflaster klebt. Sein Pflaster. Das Pflaster. Das Pflaster, das die Nasensonde fixiert. Die Schwestern bemalen sein Pflaster meist sehr liebevoll.

Seinen Arm berühre ich und nehme ihn vorsichtig aus seinem Bett. Guten Morgen, mein Josef. Die Ärztin meint, sie möchte gern noch einen Ultraschall machen. Von seinem Kopf und auch den Hüften. Sie erklärt uns alles. Das, was sie sehen kann. Die Hüfte sieht gut aus. Der Kopf nicht. Die Wassereinlagerungen im Kopf seien sichtbar. Dort, wo das Gehirn abgestorben ist.

Ich höre sie und habe das Gefühl zu verstehen, was sie sagt. Sie hat einen Zugang zu mir. Das ist gut. Ich ziehe Josef um. Mache seine Windeln. Messe seine Temperatur. Die Milch bekommt er von mir sondiert. Ganz vorsichtig. Schlückchen für Schlückchen.

Die Physiotherapeutin kommt. Sie legt Josef auf ihre Knie. Sie zeigt uns, wie wir ihm das Atmen erleichtern können. Dann probieren wir, Josef noch einmal in die Babyschale zu setzen. Josef dreht den Kopf zur Seite. Sie meint, es könnte so gehen. Er müsste nur unterwegs oft abgesaugt werden. Gut. Zum Glück fährt ja die Pflegedienstleitung mit. Sie wird das übernehmen. Hoffen wir.

Wir ziehen Josef an. Wollen ein letztes Mal mit ihm in dem Klinikkinderwagen spazieren gehen. Über den Gang durch die Schleuse gehen wir raus. Raus aus der Klinik. Josef, morgen für immer. Hoffentlich. Ich schiebe den Kinderwagen.

Uli telefoniert. Er telefoniert mit der Personalabteilung seines Arbeitgebers. Er schildert und fragt: Wäre es möglich, zwei oder drei Tage in der Woche von zu Hause aus zu arbeiten? Mein Sohn ist so krank. Sie meint, ja. Sie denke schon. Stellen Sie schriftlich einen Antrag. Ja, das mache ich, sagt Uli. Gut. Gut. Gut.

Zurück in die Klinik. Ich ziehe Josef aus. Lege ihn in sein Bett. Sage, Josef, wir fahren nach Hause. Morgen nehmen wir dich mit. Morgen zeigen wir dir unser Zuhause, lieber, kleiner, schöner Josef.

Wir fahren zum Hort, um Klara abzuholen. Die Hortleitung treffe ich im Flur. Das trifft sich sehr gut. Ich spreche sie an. Ich bin die Mama von Klara. Klara hat einen Bruder. Er ist schwerstkrank. Morgen kommt er nach Hause. Wir sind sehr glücklich darüber. Bitte sagen Sie Ihren Kollegen, sie können mit mir sprechen. Mich ansprechen. Sie brauchen keine Angst haben. Vor mir. Vor uns. Bitte.

Ja, sagt sie, das mache ich. Die Erzieher sind alle so unsicher. Brauchen sie nicht zu sein, antworte ich. Bitte. Nach dem Gespräch atme ich tief durch. Es ist anstrengend, der Kontakt mit der Außenwelt.

Zu Hause fahren wir den Rechner hoch. Josefkino. Uli fährt einkaufen. Wir brauchen ja etwas zu essen und Kaffee. Viel Kaffee. Schlaf gut, Josef. Schlaf gut, Klara.

Zuletzt aktualisiert am: 29.12.2019


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