, Zu Hause 2
Der Wecker klingelt. Es ist 6.30 Uhr. Das Licht der Schule scheint in unser Schlafzimmer. Uli ist wach. Schaut aus dem Fenster. Ich stehe auf. Gehe ins Bad. Höre die Tür klappern. Warte einen Augenblick.
Gehe dann in die Wohnküche. Setze Wasser auf. Für Tee und Kaffee. Decke den Frühstückstisch. Einatmen und Ausatmen. Uli wird heute arbeiten. Nach fünf Monaten. Wird er es probieren. Mit dem Arbeiten.
Klara kommt. Kuschelt sich an mich. Ich küsse sie. Auf ihren Kopf. Uli kommt. Setzt sich zu Klara. Ich gehe in Josefs Zimmer. Josef ist wach. Im Arm der Schwester. Er ist sehr angespannt. Ich nehme ihn. Lege Josef auf meine Knie. Er streckt sich. Ich nehme Josef wieder in den Arm.
Die Schwester. Sagt, Josef hat gut geschlafen. Gegen 5.00 Uhr war er wach. Hat gekrampft. Immer wieder gezuckt. Sie hat ihm ein Medikament gegeben. Herzfrequenz war bei 140. Josef hat kein Fieber. Das Sekret ist sehr zäh. Okay, sage ich. Okay. Die Schwester spült die Inhalette und die Absaugbehälter aus. Wechselt die Spritzen aus. Zieht die Medikamente auf.
Klara geht los. Los in die Schule. Ich winke ihr aus Josefs Zimmer. Bis ich sie nicht mehr sehe. Die Schwester verabschiedet sich. Schlaf gut, sage ich. Danke.
Uli ist im Schlafzimmer. Fährt den Rechner hoch. Arbeit. Heute wieder Arbeit. Ich ziehe Josef vorsichtig um. Er streckt sich immer wieder. Mein Josef. ich sammele seine Arme und Beine ein. Nehme seinen Kopf in meine Hände. Sein Kopf wandert immer wieder nach rechts. Ich küsse ihn. Auch das lässt Josef nicht beruhigen. Ich lege Josef auf meine Knie.
Um 8.30 Uhr klingelt es. Die Schwester. Wäscht ihre Hände. Kommt in Josefs Zimmer. Plötzlich lässt die Anspannung nach. Bei Josef. Seine Windeln sind voll. Ich wechsele sie. Das war es. Bauchweh. Bauchkrämpfe. Ich muss das Movicol anpassen, denke ich. Damit es ihm leichter fällt. Er kann ja nicht von allein. Braucht Hilfe. Für Alles.
Wir müssen daran denken. Wenn er Möhrenbrei bekommt. Durch den Bauchschlauch. Müssen wir darauf achten, dass er mehr Flüssigkeit bekommt. Durch den Bauchschlauch. Mehr regulierende Medikamente. Alles müssen wir bedenken. Alles. Josef, mein Josef. Zum Glück nur Bauchweh. Zum Glück nur Bauchweh und keine ernste Krise.
Josef schläft ein. Ganz erschöpft. Ich lasse ihn bei der Schwester. Schließe die Tür. Uli arbeitet im Schlafzimmer. Ich sitze im Wohnzimmer. Schaue auf die Schule. Es brennt Licht in den Räumen.
Um 10.30 Uhr klingelt es. Die Logopädin. Ich freue mich. Wir gehen in Josefs Zimmer. Josef sitzt in seinem Therapiestuhl. Seine Augen sind halb offen. Er döst. Es sieht so aus, als würde er dösen. Die Schwester singt.
Die Logopädin begrüßt Josef. Streicht über seine Füße und Beine. Seine Hände und Arme. Arbeitet sich vor. Zu seinem Gesicht und Mund. Die Logopädin sitzt auf dem Sofa. Die Schwester daneben. Ich stehe. Schaue zu. Fühle mich ein wenig wie ein Eindringling. Im Pflegezimmer. Wie ein Besucher.
Die Schwester spricht über Josef. Als würde sie ihn kennen. Lange kennen. Als wäre sie die Expertin für meinen Sohn. Ich bin verwundert. Die Schwester spricht über Josef. Dann über andere Kinder. Bei denen es so und so gemacht wurde. Einatmen und Ausatmen.
Ich sage. Nichts. Noch nichts. Werde nachher mit ihr sprechen. Nicht vor der Logopädin. Möchte sie nicht vorführen. Und doch. Fühle ich mich vorgeführt. Als würde ich meinen Sohn nicht kennen. Wäre ich die unwissende Mutter. Einatmen und Ausatmen.
Die Logopädin verabschiedet sich. Ich gehe wieder in Josefs Zimmer. Einatmen und Ausatmen. Sage. Nichts. Was soll ich sagen? Jetzt. Die Schwester nimmt Josef aus seinem Therapiestuhl. Ich nehme ihr Josef ab. Sage, ich gehe mit Josef ins Wohnzimmer. Melde mich, wenn etwas ist. Josef, mein Josef.
Um 14.35 Uhr klingelt es. Die Physiotherapeutin. Etwas zu spät. Wir gehen in Josefs Zimmer. Sie dreht und wendet Josef. Dann schläft er ein. Sie ist ganz präsent. Die Physiotherapeutin. Die Schwester ist ganz beeindruckt von ihr. Sie verstehen sich gut.
Ich gehe los. Klara vom Hort abholen. Uli arbeitet. Zu Hause. Tee und Kaffee.
Die Schwester verabschiedet sich. Dann sage ich doch. Sage, ich habe mich außen vor gefühlt. Vorhin. Mit der Logopädin. Es ist doch mein Sohn, sage ich. Josef. Ich kenne ihn deutlich länger. Das wollte ich dir nur sagen. Okay, sagt sie. Das tut mir leid, sagt sie auch. Ist schon gut, sage ich. Ist schon gut. Sie geht. Bis morgen, dann. Einatmen und Ausatmen.
Josef sitzt in seinem Therapiestuhl. Wir trinken Kaffee und Tee. Klara setzt sich aufs Sofa. Liest uns vor. Ich lege Josef zu ihr. Klara baut eine kleine Höhle um sich und ihren Bruder. Liest ihm darunter vor. Mir laufen Tränen. Weil ich so berührt bin. Von dieser Geschwisterliebe.
Gegen 17.00 Uhr macht Uli Feierabend. Wir essen Abendbrot. Schauen fern. Uli inhaliert Josef. Saugt ihn ab. Ich bringe Klara ins Bett. Lese ihr vor. Mache ihr das Hörspiel an. Josef liegt auf Uli. Vater und Sohn. Bauch an Bauch. Wie schön. Uli ist still. Ganz still. Mag nicht sprechen. Über die Arbeit.
Um 21.30 Uhr klingelt es. Die Schwester. Wir reden. Über den Tag. Dann gehen wir ins Bett. Schlafen.
Zuletzt aktualisiert am: 27.02.2021