, Zu Hause 2

Es klopft an der Tür. Mein Herz. Bis zum Hals. Ich bin wach. Hellwach. Es ist 0.30 Uhr. Ich stehe auf. Gehe zur Tür.

Josef liegt im Arm der Schwester. Seine Atmung. Ganz schwer. Ich nehme ihn. Meinen Josef. Küsse ihn. Wir gehen in sein Zimmer. Uli kommt. Die Schwester. Sagt. Aus dem Schlaf heraus war die Atmung von Josef wieder sehr schlecht. Sie hat ihn inhaliert. Abgesaugt. Inhaliert.

Keine Besserung. Kein Fieber. Keine Krämpfe. Herzfrequenz 150. Sauerstoffsättigung 88. Uli ruft das SAPV-Team an. Schildert. Wir sollen die Cortisongabe vorziehen, sagt die Ärztin. Die Schwester gibt Josef durch den Bauchschlauch das Cortison. Tee.

Ich halte Josef. Küsse ihn. Lege ihn mir über die Knie. Helfe ihm beim Atmen. Mit meinen Händen. Wir sind ruhig. Wir sind immer ruhig. In diesen Momenten. Konzentriert und ruhig. Josef schläft ein. Seine Atmung wird besser. Ruhiger. Ich lege ihn in sein Bett. Herzfrequenz 120. Sauerstoffsättigung 97.

Es ist 2.00 Uhr. Wir gehen ins Bett. Schlafen. Irgendwann. Muss ja schlafen. Für nachher. Da muss ich wach sein. Wach.

Um 6.30 Uhr klingelt der Wecker. Ich stehe auf. Die Tür klappert. Ich warte. Ich gehe ins Bad. Wasche mich. Gehe in die Wohnküche. Setze Wasser auf. Für Tee. Kaffee. Decke den Frühstückstisch.

Klara kommt. Kuschelt sich an mich. Ich küsse sie auf ihren Kopf. Spüre meine Müdigkeit. Gleichzeitig stolpert mein Herz. Ich gehe in Josefs Zimmer. Josef, mein Josef. Er ist wach. Liegt im Arm der Schwester. Josef streckt sich. Seine Arme und Beine zittern. Seine Augen sind weit offen.

Ich nehme ihn. Küsse ihn. Herzfrequenz 150. Sauerstoffsättigung 94. Die Schwester. Sagt. Bis 6.15 Uhr hat Josef durchgeschlafen. Er drückt viel, sagt sie. Okay, sage ich. Okay. Die Schwester räumt. Spült. Wechselt aus. Zieht auf.

Klara geht los. Los in die Schule. Ich winke ihr. Mit Josef im Arm. Bis ich sie nicht mehr sehe. Uli kommt. Nimmt Josef. Ich rufe beim SAPV-Team an. Berichte. Ja, sie kommen. Ob heute Nachmittag reicht. Ja, sage ich. Wir kommen zurecht. Bis dahin kommen wir zurecht. Danke, sage ich. Auch. Danke.

Die Schwester verabschiedet sich. Schlaf gut. Danke. Noch einmal danke. Danke, sage ich. Danke, dass du zu uns kommst. Bleibst, wenn es schwierig wird. Aushältst. Danke. Schon gut, sagt sie. Schon gut. Nein, sage ich. Es ist nicht selbstverständlich. Ich danke dir dafür. Wir danken dir.

Sie lächelt. Es ist ihr unangenehm. Und doch ist es mir wichtig. Ihr es zu sagen. Uli arbeitet. Im Schlafzimmer. Josef, mein Josef. Seine Atmung zieht. Ich ziehe Josef vorsichtig um. Lege ihn mir auf die Knie. Helfe ihm. Beim Atmen.

Es klingelt. Die Schwester. Wir kennen sie kaum. Vertretung. Einatmen und Ausatmen. Ich erzähle ihr. Wir besprechen, was zu tun ist. Inhalieren. Josef lagern.

Die Physiotherapeutin bräuchten wir. Atemtherapie. Sie war lange nicht mehr da. Hat zwei Wochen Urlaub. Keine Vertretung. Kommt nach Pfingsten. Erst. In sechs Tagen. Einatmen und Ausatmen.

Um 12.00 Uhr klingelt es. Die Logopädin. Ich freue mich. Sie begrüßt Josef. Vorsichtig. Wellness heute. Wellness. Josef schläft ein. Danach. Ist entspannt. Ich. Ach. Ich. Bin bei Josef. Tee. Medikamente. Heilnahrung für den Magen.

Ich hole Klara ab. Vom Keramik. Sie kommt gleich mit. Ich frage sie nach Mathe. Ach, sagt sie. Ach. Gut. Ich muss die Lehrerin anrufen. Darf nicht vergessen. Darf Klaras Leben nicht vergessen. Unser Leben. Einatmen und Ausatmen.

Zu Hause. Tee. Kaffee. Die Schwester verabschiedet sich. Josef wird wach. Seine Atmung. Schwer. Ziehend. Wie kannst du so Luft bekommen, mein Josef? Ich inhaliere ihn. Habe das Gefühl, die Inhalation kommt gar nicht durch. Durch das Sekret. Den Schleim.

Es klingelt. Das SAPV-Team. Wir sind ruhig. Leise. Ruhig. Bestimmend. Konzentriert. Weil wir es immer sind. In solchen Situationen. Klara sitzt auf der Schaukel auf den Balkon. Liest.

Die Ärztin hat ein neues Antibiotikum dabei. Wir besprechen den Plan. Sie schreibt die Anordnung in die Akte. Für die Pflege. Wir sprechen. Leise. Über Josef. Das Sterben. Einatmen und Ausatmen.

Ich habe das Gefühl, zu schweben. Josef, ich darf nicht schweben. Ich muss doch halten. Sie verabschieden sich. Verabschieden sich, als wir uns sicher fühlen. Ich das Gefühl habe, nicht mehr zu schweben. Das Gefühl habe, mich halten zu können. Weiß. Ich bin nicht allein. Sie sind da. Josef, mein Josef.

Abendbrot. Josef. Herzfrequenz 180. Sauerstoffsättigung 89. Temperatur 39,5. Medikamente. Tee. Klara schaut Kinderfernsehen.

Uli hält Josef. Ich bringe Klara ins Bett. Lese ihr vor. Mache das Hörspiel an. Küsse sie. Josef. Herzfrequenz 150. Temperatur 38,5. Er schläft ein. Uli legt ihn in sein Bett. Ich sitze bei ihm. Der Monitor leuchtet. Die Zahlen springen. Hin und her.

Um 21.30 Uhr klingelt es. Die Schwester. Wir besprechen den Plan für die Nacht. Gehen ins Bett.

Zuletzt aktualisiert am: 30.04.2021


Jetzt Spenden! Das Spendenformular wird von betterplace.org bereit gestellt.

❤️ Mehr darüber, wie du uns unterstützen kannst.