, Zu Hause 1
Der Wecker klingelt. Es ist 6.00 Uhr. Ich stehe auf. Gehe ins Bad. Bin müde. Müde. Müde. Aus dem Wohnzimmer höre ich Josef. Er ist wach. Atmet laut und regelmäßig. Ich wasche mich.
Gehe ins Wohnzimmer. Josef liegt im Arm der der Schwester. Seine Augen sind halb geschlossen. Oder geöffnet. Ich streichele seinen Kopf. Hocke mich zu ihm. Küsse ihn. Frage die Schwester nach der Nacht. Bis 4.30 Uhr schlief Josef gut, sagt sie. Dann hatte er wieder mit dem Sekret zu tun. Die Temperatur ist bei 37,8. Gut, sage ich. Gut. Einatmen und Ausatmen.
Ich stehe auf. Gehe in die Küche. Setze Wasser auf. Für Tee und Kaffee. Decke den Frühstückstisch. Klara kommt. Hat den Mie in ihrem Arm. Sie kuschelt sich an mich. Setzt sich an den Tisch. Isst ihre Cornflakes.
Ich bin so froh um die Lehrerin. Wenn sie wüsste, wie sie uns hält. Klara hält. Mit ihrer Geste. Klara und der Mie. Die letzte Woche darf sie ihn haben. Den Mie. Zum Abschied.
Wie wichtig es ist, Abschied zu nehmen. Die Traurigkeit fließen zu lassen. Weil sie sich sonst nur anstaut. Wie wichtig Rituale sind. Gerade jetzt. Sie geben Halt. Geben uns und mir Halt. Am Freitag wird es ein Überraschungsfest in der Schule geben. Für Klara. Zum Abschied. Klara weiß noch nichts davon.
Uli kommt. Setzt sich zu Klara. Ich gehe ins Wohnzimmer. Nehme Josef in den Arm. Er schläft gerade wieder ein. Seine Augen fallen zu. Die Schwester spült die Inhalette und die Absaugbehälter aus. Verabschiedet sich. Schlaf gut. Danke.
Sie ist mir ans Herz gewachsen. Diese Schwester. Am Anfang war es schwierig mit uns. Jetzt lässt sie sich auf Josef ein. Auf uns ein. Zeit, denke ich. Es braucht Zeit. Was ist, wenn wir sie nicht haben? Die Zeit? Einatmen und Ausatmen.
Klara geht los. Los in die Schule. Uli winkt ihr nach. Bis er sie nicht mehr sieht. Josef ist eingeschlafen. Ich lege ihn in sein Bett. Kuschele ihn ein. Lege sein Körnerschaf in seine Arme.
Um 9.00 Uhr klingelt es. Die liebe Physiotherapeutin. Josef, mein Josef schläft noch. Mit ihren Händen spürt sie. Josef spürt sie. Fühlt nach seinen Gelenken. Bewegt ihn im Schlaf durch. Spürt nach dem Sekret. Ich küsse Josef zart. Bin ganz gerührt. Wie gut sie sich kennen. Josef und die liebe Physiotherapeutin.
Um 9.30 Uhr klingelt es. Die Schwester vom SAPV-Team. Sie stellt sich zu uns. An Josefs Bett. Wir reden über Josef. Über seine Krämpfe. Seinen Zustand. Ganz leise sprechen wir. Wollen ihn nicht wecken, meinen Josef. Dann verabschiedet sich die liebe Physiotherapeutin. Wir umarmen uns. Die SAPV-Schwester bleibt noch.
Um 10.00 Uhr klingelt es. Die Pflegedienstschwester. Josef wird wach. Ich inhaliere Josef. Uli saugt ihn ab. Über Josef sprechen wir. Über seine Atmung. Über das, was wir ändern können. Ausprobieren. Mit den Inhalationen. Die Pflegedienstschwester schreibt es auf. Dokumentiert es. Dann verabschiedet sich die SAPV-Schwester.
Ich gebe Josef der Schwester. Fange an, Kisten zu packen. So viele Kisten. Josef, mein Josef. Wir ziehen um. Machen etwas anders. Verändern uns. Was sagst du dazu? Kommst du mit? Die Frage treibt mich um. Josef, mein Josef. Kommst du mit? Oder nicht? Einatmen und Ausatmen.
Der Tag zerrinnt. Kiste um Kiste.
Um 15.00 Uhr gehen wir los. Los in den Hort. Holen Klara ab. Sie kommt gleich mit. Hüpft und springt. Ist glücklich. Wie schön das ist. Ihr Glück zu sehen.
Zu Hause. Es gibt Tee und Kaffee. Kakao für Klara. Kekse auch. Josef schläft. Herzfrequenz 108. Sauerstoffsättigung 95. Wir verabschieden die Schwester. Packen weiter. Kiste um Kiste.
Uli telefoniert. Mit der Firma für Sauerstofftonnen. Morgen kommt der Sauerstoffmann zu uns. Und dann brauchen wir eine Sauerstofftonne für das Kinderhospiz. Dann noch eine. Für unser neues Zuhause. Neues Zuhause.
Josef wird wach. Ich nehme ihn in den Arm. Küsse ihn. Inhaliere Josef. Sauge ihn ab. Küsse ihn. Wieder. Wir essen Abendbrot. Zusammen. Brot gibt es. Ich gebe Josef seinen Abendbrei. Medikamente und Tee.
Wir schauen Kinderfernsehen. Josef liegt auf mir. Schläft ein. Mit jedem Atemzug entspannt er sich. Einatmen und Ausatmen. Mein Josef. Sein Kopf liegt auf meiner Brust. Spürst du mein Herz, mein Josef? Uli bringt Klara ins Bett. Liest ihr vor. Macht ihr das Hörspiel an.
Um 21.30 Uhr klingelt es. Die Schwester. Ich lege Josef vorsichtig in sein Bett. Herzfrequenz 116. Sauerstoffsättigung 96. Wir gehen ins Bett. Schlafen.
Zuletzt aktualisiert am: 29.12.2020