, Zu Hause 1

Um 0.00 Uhr klingelt der Wecker. Josef wird inhaliert. Abgesaugt. Bekommt Medikamente. Tee. Schlummert wieder ein.

Um 2.00 Uhr klingelt der Wecker. Josef bekommt Tee. Der Sensor wird umgesetzt. Temperatur 37,4.

Um 3.00 Uhr klingelt der Wecker. Josef wird inhaliert. Abgesaugt. Bekommt Tee.

Um 4.00 Uhr klingelt der Wecker. Josef bekommt Medikamente. Wird umgelagert. Der Sensor wird umgesetzt.

Um 6.00 Uhr klingelt der Wecker. Josef wird inhaliert. Abgesaugt. Bekommt Medikamente und Tee. Temperatur 38,0. Ich gebe ihm ein Schmerzmittel. Weine. Vor Müdigkeit. Erschöpfung. Ich stehe auf. Gehe ins Bad. Wasche mich. Kaltes Wasser in meinem Gesicht.

Ich gehe auf die Terrasse. Spüre die Luft. Es ist mild. Für Dezember. Mir laufen Tränen. Wir schaffen es nicht ohne Pflegedienst. Schaffen es nicht. So gerne würden wir es ohne Pflegedienst schaffen. Schaffen es nicht. Es geht nicht. Ohne diese vielen Menschen in unserer Wohnung. Ohne sie geht es nicht. Einatmen und Ausatmen.

Der Monitor piept. Ich gehe ins Schlafzimmer. Uli macht ihn aus. Den Monitor. Fehlalarm, sagt Uli. Gut, sage ich. Ich gehe in die Küche. Setze Wasser auf. Für Tee und Kaffee. Gehe mit dem Kaffee und Tee ins Schlafzimmer.

Josef ist wieder eingeschlafen. Klara kommt zu uns. Kuschelt sich ins Bett. Zu uns. Zu viert liegen wir im Bett. Wie schön das ist. Wie müde ich bin. Wie erschöpft. Wie traurig. Zugleich. Auch traurig. Klara macht den Fernseher an. Bibi und Tina. Ich schlafe ein.

Um 10.00 Uhr schrecke ich auf. Das Bett ist leer. Ich stehe auf. Gehe ins Wohnzimmer. Josef liegt auf den Knien von Uli. Klara malt. Alles gut, sagt Uli. Schlafe weiter. Ich gehe ins Bad. Kaltes Wasser in meinem Gesicht. Ich kann nicht mehr schlafen. Gehe wieder ins Wohnzimmer. Nehme Josef in den Arm. Küsse ihn. Meinen schwer kranken Josef.

In dieser Nacht, sage ich zu Uli. In dieser Nacht habe ich deutlich gespürt. Wie weit weg Josef ist. Ich habe es gespürt. Uli. Unser Josef. Wir können ihn nicht festhalten. Unseren Josef. Können es nicht. Auch nicht mit Küssen. Nicht mit der Liebe. Wir können ihn halten. Uli. Halten können wir ihn. Nicht festhalten.

Abwechseln müssen wir uns. Beim Halten. Kräfte schöpfen. Zwischendurch. Für das Halten. Uli. Festhalten können wir ihn nicht. Einatmen und Ausatmen. Uli gibt Josef seinen Morgenbrei. Inhaliert ihn. Saugt ihn ab. Legt ihn in sein Bett. Schaltet den Monitor an. Herzfrequenz 145. Sauerstoffsättigung 94. Temperatur 37,8. Uli ruft das SAPV-Team an. Sagt, Josef hat wieder Fieber. Das Sekret ist weißlich und flüssig. Sollen wir kommen, fragt die Palliativschwester. Morgen reicht, sagt Uli. Falls nicht, rufen wir noch einmal an.

Am Nachmittag gehen wir eine kleine Feldrunde. Uli trägt die Absauge. Ich trage Josef. Klara fährt mit ihrem Rad. Die Luft ist kühl und feucht. Genau richtig für Josef. Zu Hause. Josef wird abgesaugt. Bekommt Medikamente. Schlummert ein. Bei hohen Herzfrequenzen. Wir trinken Kakao und Kaffee. Pfefferkuchen für Klara. Ich habe keinen Hunger. Kein Gespür dafür.

Klara schaut einen Märchenfilm. Josef liegt neben ihr auf dem Sofa. Schläft. Wie selbstverständlich das wirkt. Die Kinder auf dem Sofa. Zweiter Advent. Märchenfilm. Pfefferkuchen. Räuchermännchen. Und dann ist die Anspannung da. Wie lange werden wir es so haben? Josef? Wie lange werden wir dich noch haben? Mein Josef? Wie lange bleibst du noch? Ich schiebe den Gedanken beiseite. Heute ist heute. Jetzt ist jetzt.

Uli lässt die Wanne ein. Ich ziehe Josef vorsichtig aus. Klara setzt ihre Taucherbrille auf. Uli lässt Josef in die Wanne gleiten. Er ist angespannt. Er nimmt ihn wieder raus. Ich trockne Josef ab. Ganz vorsichtig. Küsse ihn. Öle ihn ein. Sage ihm, wie schön er doch ist. Wie sehr wir ihn lieben. Das es gut ist. So wie es ist. Ich ziehe Josef an.

Zum Abendbrot gibt es Brot. Josef bekommt seinen Abendbrei. Zusammen schauen wir Kinderfernsehen. Uli inhaliert Josef. Saugt ihn ab. Ich bringe Klara ins Bett. Lese ihr vor. Mache ihr das Hörspiel an. Josef ist eingeschlafen. Er schlummert unruhig auf Uli. Uli saugt ihn noch einmal ab. Ich gebe ihm ein Schmerzmedikament.

Um 21.30 Uhr klingelt es. Die Schwester. Wir erzählen ihr von der letzten Nacht. Dem Fieber. Ich halte Josef. Bis er eingeschlafen ist. Lege ihn ins Bett. Herzfrequenz 148. Sauerstoffsättigung 94. Wir gehen ins Bett. Schlafen unruhig.

Zuletzt aktualisiert am: 28.11.2020


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