, Zu Hause 2
Der Wecker klingelt. Es ist 6.30 Uhr. Die Tür klappert. Ich bleibe liegen. Die Katze. Liegt auf Ulis Sachen. Sie ist sehr niedlich, die Katze. Eine Glückskatze. Sie hat drei Farben. Frech ist sie. Lebendig. Perfekt.
Gerade das schmerzt. Sie kann so viel mehr. Als Josef. Als unser Sohn. Einatmen und Ausatmen. Ich stehe auf. Gehe ins Bad. Wasche mich. Kaltes Wasser in meinem Gesicht. Ich gehe in die Wohnküche. Setze Wasser auf. Für Tee. Kaffee. Decke den Frühstückstisch.
Klara kommt. Kuschelt sich an mich. Ich küsse sie auf ihren Kopf. Uli setzt sich zu ihr. Ich gehe in Josefs Zimmer. Josef, mein Josef. Die Schwester hält ihn im Arm.
Er zuckt wieder. Ich nehme ihn. Sein Kopf dreht sich nach links. Seine Augen gehen hin und her. Ich küsse ihn. Dann hört es auf. Er entspannt sich. In seinen Augen. Tränen. Ich küsse ihn. Würde ihm so gern. Nehmen. Den Schmerz. Die Anstrengung. Es geht nicht. Ich weiß. Ich weiß. Ich weiß. Und doch möchte ich so gerne. Einatmen und Ausatmen.
Ich frage nach der Nacht. Die Vitalwerte waren im Normbereich. Viel Sekret. Kein Fieber. Gegen Mitternacht krampfte Josef. Es hörte von allein wieder auf. Die Krämpfe häufen sich, sagt die Schwester. Ja, sage ich. Ja. Ich weiß.
Wir besprechen es. Nächste Woche im SPZ mit der Neuropädiaterin. Klara geht los. Los in die Schule. Ich winke ihr. Bis ich sie nicht mehr sehe. Josef in meinem Arm. Mein Josef. Mein Schwebejosef. Die Schwester räumt. Spült. Wechselt aus. Zieht auf. Verabschiedet sich. Schlaf gut. Danke.
Ich halte Josef. Küsse ihn. Das Sekret läuft aus seiner Nase und seinem Mund. Es läuft in Strömen. Ich lege ihn über meine Knie. So kann es besser ablaufen. Inhalieren brauche ich nicht. Josef, mein Josef. Das gute an den Krämpfen ist, das Sekret fließt dann. Die Atmung ist besser. Ach, mein Josef. Ach. Ich küsse ihn.
Es klingelt. Die Schwester. Ich bin angespannt. Ich ziehe Josef vorsichtig um. Küsse ihn. PEG reizlos. Stuhl abgesetzt. Die Schwester notiert. Ich gebe ihr Josef. Hole den Morgenbrei. Gebe Josef den Brei über den Bauchschlauch. Tee. Medikamente. Josef ist relativ entspannt.
Mit der Schwester rede ich leise. Nicht über unseren Konflikt. Dafür werden wir morgen Zeit haben. Einen Ort haben. In mir arbeitet es. Gedanken kreisen. Darum.
Josef, mein Josef. Sie nimmt ihn in ihren Arm. Ich lasse ihr meinen Josef. Gut aufgehoben ist er. Bei ihr. Ich gehe aus dem Zimmer. Schließe die Tür. Sitze am Küchentisch. Mit Uli. Wir reden leise. Lassen Gedanken in Worte und Sätze fließen.
Sprechen über morgen. Über unsere Erwartungen an das Gespräch. Mit dem SAPV Team. Dem Pflegedienst. Dem Kinderhospiz. Wir reden leise. Wollen nicht gehört werden. Flüstern fast. Draußen scheint die Sonne. Sommersonne.
Es klingelt. Die liebe Logopädin. Josef wird in den Therapiestuhl gesetzt. Sie begrüßt ihn mit ihren Händen. Arbeitet sich vor. Bis zu seinem Gesicht. Seinem Mund.
Josef reagiert auf sie. Ich weiß, er ist dann besonders empfindlich. Ich sehe es nicht mehr als einen Gradmesser von Entwicklung. Sondern als ein Zeichen für seine Empfindlichkeit. Gerade. Seine Sinne nach außen gerichtet.
Wir müssen behutsam mit Josef sein. Behutsam. Mit Josef. Mit Klara. Mit uns. Behutsam. Josef, mein Josef. Er schläft ein. Ich lege ihn in sein Bett. Die Schwester schaltet den Monitor ein. Die liebe Logopädin verabschiedet sich.
Ich setzte mich in die Wohnküche. Schreibe eine Entschuldigung. Für Klara. Für unsere kurze Reise. Ans Meer. Uli holt Klara. Vom Keramikkurs.
Die Schwester holt mich. Sagt. Josef schreckte zweimal im Schlaf hoch. Streckte sich. Stöhnte. Die Augen weit aufgerissen. Die Herzfrequenz stieg auf 150. Sauerstoffsättigung war in der Norm. Danach schlief er sofort wieder ein. Okay, sage ich. Okay. Die Schwester verabschiedet sich.
Josef, mein Josef. Er wird wach. Ich schalte den Monitor aus. Küsse ihn. Halte ihn. Spüre meinen Josef. Seine warme Haut. Und merke, wie er schwebt. Mein Josef. Nicht mehr ganz da ist. Wo bist du nur, mein Bär? Wo?
Wir gehen spazieren. Zusammen. Halten es nicht mehr so gut aus. Immer in der Wohnung zu sein. Wollen raus. Mit den Kindern. Raus. Ins Leben. Noch mehr raus, je dichter das Sterben rückt.
Wir gehen eine Runde. Garten. Heide. Klara auf ihrem Fahrrad. Meine Augen sind immer auf Josef gerichtet. Er zuckt zwischendurch. Dann hört es auf. Er schläft.
Zu Hause. Wir essen Abendbrot. Einen Salat. Brot dazu. Josef bekommt seinen Abendbrei. Tee. Medikamente. Wir schauen Kinderfernsehen.
Uli bringt Klara ins Bett. Liest ihr vor. Macht das Hörspiel an. Die Katze springt umher. Josef, mein Josef. Er schläft auf mir ein. Ich lege ihn in sein Bett. Herzfrequenz 128. Sauerstoffsättigung 94.
Um 21.30 Uhr klingelt es. Die Schwester. Wir gehen ins Bett. Schlaf.
Zuletzt aktualisiert am: 29.06.2021