Der Schmerz. In mir. In allen Fasern. Bewegt sich. Fließt. Fängt an, sich zu verändern. Zu fließen. Zu strömen. Der Schmerz. Josef, mein Josef.
Unruhiger Schlaf. Wach sein. Schlaf. Kurz wach. Jette. Möchte aufstehen. Den Tag begrüßen. Uli, ich brauche Schlaf, sage ich. Noch ein wenig. Ein wenig Schlaf. Bitte. Jette und Uli stehen auf. Traumloser Schlaf.
Wach werden. Es ist hell. So hell schon. Es ist 9.40 Uhr. Aufschrecken. Aufstehen. Taumeln. Wir haben Besuch. Übernachtungsbesuch. Guten Morgen. Kaffee. Tee. Duschen. Frühstück. Ich zünde Kerzen an. Kerzen für Josef.
Josef, mein Josef. Weicher Schmerz. Nicht zu verorten in mir. Überall. Schon seit Tagen. Wochen. Weicher Schmerz. Überall. In all meinen Fasern. Überall. Einatmen und Ausatmen. Josef, mein Josef. Warm ist es heute. Warm. Ein warmer Oktobertag. Wolken am Himmel.
Uli fährt los. Holt ein Auto. Wollen raus. Raus aus der Stadt. Unsere Freundin verabschiedet sich. Sie fährt zu ihrer Tochter ins Kinderhospiz. Schwere Wochen und Monate. Wir halten uns. Umarmung. Bis ganz bald. Grüße, sage ich. Grüße an deine Tochter. Deinen Mann. Einatmen und Ausatmen.
Klara kommt. Kommt nach Hause. War über Nacht weg. Bei einem Freund. Mama, sagt sie. Mama, es tut weh. Tut weh heute. Ich umarme sie. Halte sie. Sie hält mich. Wir halten uns. Ich darf sie küssen. Klara, meine Klara.
Wir ziehen uns an. Klara möchte nicht mitkommen. Lernen muss sie. Lernen. Uli ist da. Wir fahren los. Los. Kommen an. An einem See. Begegnen Freunden. Zufällig. Zufällig. Ganz zufällig. Wir fallen uns in die Arme. Haben uns seit zwei Jahren nicht gesehen. Berührt. Gehalten. Freunde mit ihren Kindern und anderen Geburtstagskindern.
Jette spielt mit den Kindern. Ganz unbefangen. Sie rennen durch den Wald. Runter zum See. Wie schön es ist. Äste werden in den See geworfen. Wir lassen ein kleines Boot für Josef schwimmen.
Kein Wind. Es ist still. Unerträglich. Die Windstille. Stille. Kann sie nicht ertragen. Schmerzhaft. Als bleibe der Schmerz in mir verhaften, wenn ich still bin. Ganz still. Der Wind still ist. Alles still. Unsere Freunde. Wir reden. Berühren uns. Es gibt Kuchen.
Dann. Dann verabschieden wir uns. Wollen laufen. Bewegung. Spüren. Wir laufen los. Jette springt. Hüpft. Dann lässt sie sich tragen. Auf den Schultern von Uli. Ich bin still. Keine Worte. Habe keine Worte. Mehr. Der Schmerz. In mir. In allen Fasern. Bewegt sich. Fließt. Fängt an, sich zu verändern. Zu fließen. Zu strömen. Der Schmerz. Josef, mein Josef. Einatmen und Ausatmen.
Wir laufen. Es ist warm. Zu warm für Oktober. Vor sechs Jahren, Josef, mein Josef. Da war es hell. Ganz hell. Und heute ist es warm. Der See ganz ruhig. Wir laufen und laufen. Tränen. Schmerz. Fließender Schmerz. Schmerz. Schmerz, der uns und dir wiederfahren ist. In unserem gemeinsamen Leben.
Josef, mein Josef. Der Schmerz der Monate. Und dann Dankbarkeit. Dankbarkeit dafür, dass du bei uns warst. So lange. Ich. Wir dich halten durften. Küssen. Dich spüren durften. Danke, mein Josef. Danke.
Deine Schwester tanzt durch den Wald. Sie fragt oft nach dir, mein Josef. Ich zeige ihr Bilder von dir. Erzähle von dir. Josef, mein Josef. Ganz krank warst du, sage ich. Ich werde nicht krank, sagt sie. Ich sage, ach Jette, ach. Du wirst doch wieder gesund, meine Jette. Du wirst gesund. Josef, mein Josef, war sterbenskrank.
Dann umarmt sie mich, deine Schwester. Sagt, Mama, jetzt hast du doch mich. Ich. Ich sage, Jette, meine Jette, es ist nicht schlimm, wenn ich traurig bin. Es ist nicht schlimm. Josef, mein Josef. Du bist da. Immer bist du da.
Und heute vor sechs Jahren bist du gestorben. In meinen Armen. Dein Papa hatte seine Hand auf deinem Kopf. Josef, mein Josef. Wir fahren wieder los. Los. Nach Hause. Um 17.30 Uhr kommen wir zu Hause an. Es fängt an zu regnen. Der Himmel weint. Um 17.25 Uhr vor sechs Jahren hast du aufgehört zu atmen. Josef, mein Josef.