"Wichtig ist, über das Sterben zu sprechen, auch wenn es weh tut." Über unseren Besuch einer Podiumsdiskussion zu Kinderhospizarbeit in Berlin.

"Um die Debatte auch an die Erfahrungen der betreffenden Familien zu koppeln, sollen Sie, liebe Familie Neustadt, im Rahmen der Podiumsdiskussion von dem Moderator Thadeusz einbezogen und befragt werden."

Wer ist dabei?

"Frau Büdenbender, die Frau vom Bundespräsidenten, als Schirmherrin der Veranstaltung. Familienministerin Giffey. Fatos Topaç, Sprecherin für Sozial- und Pflegepolitik, (Die Grünen), Berlin. Frau Dr. Lieber, ärztliche Leitung des Kinderhospizes Sonnenhof. Prof. Jennessen, Pflegewissenschaftler und noch ein Philosophie-Professor."

In Ordnung, das klingt eindrucksvoll und gut. Lieben Dank für die Einladung zur "Dialogveranstaltung: "Offen und ohne Scheu – Die Björn Schulz Stiftung im Dialog: Welche Rahmenbedingungen braucht die Kinderhospizarbeit in Deutschland?". Wir werden also im Publikum sitzen und an einem bestimmten Punkt wird uns signalisiert werden: Jetzt seid ihr gleich dran, dann bekommen wir das Saal-Mikro und dann kommt die erste Frage vom Moderator. Im Publikum sitzen wir - und oben sitzen die Experten. Ist es nicht in der Sprache der Kinderhospizarbeit üblich, Eltern auch als Experten anzusehen? Nun ja, wir sitzen also im Publikum aber dürfen ganz sicher was sagen. Ja in Ordnung, das machen wir.

Ein Hotel in Berlin Mitte. Es regnet. Konferenzsaal in gehobenem Ambiente. Wir kommen an und es sind Plätze für uns reserviert, in der zweiten Reihe, mit Namensschild. Schön! Wir parken den Kinderwagen an der Seite, Jette ist das einzige Kind im Saal. Wir sehen immer mehr bekannte liebe Menschen im Publikum, aus dem Kinderhospiz, vom SAPV-Team, von der Björn Schulz Stiftung. Anne unterhält sich mit einigen, Uli ist aufgeregt und drängt zum Hinsetzen.

Es wird über die vielen Versäumnisse in der Vergangenheit gesprochen. Und dass niemand wirklich weiß, was betroffene Eltern wirklich brauchen, weil es keine Forschungen gibt. Und dass sich was ändern wird, neue Gesetze sind in Arbeit und politische Anstrengungen werden unternommen. Vor allem wegen des Fachkräftemangels. Es wird auch über gesellschaftliches Umdenken gesprochen, im Umgang mit Tod und Sterben.

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Viele Worte später kommt das Signal vom Moderator. Wir stehen auf. Jette spuckt das Stück Banane aus, das sie gerade im Mund hat. Uli legt den schleimigen Klumpen auf den Teppichboden. Anne nimmt das Mikro und fängt an zu sprechen.

Josef hat 22 Monate bei uns gelebt. Josef war schwerst krank. Sein Leben kann nicht mal so eben runtererzählt werden. Auch deshalb machen wir das Blogprojekt. Um es anders spürbar zu machen, wie es ist. Wie es war. Uli macht die Bilder aus den Behandlungsunterlagen, jeder Lebenstag von Josef wurde ja dokumentiert.

Der Moderator hat sich unseren Blog auch angesehen, das wussten wir schon vorher. Er fragt konkret, was wir zur Kinderhospizarbeit sagen möchten.

Im Kinderhospiz haben wir eine besondere Haltung gegenüber uns und Josef gespürt. Die Menschen im Kinderhospiz haben sich uns zugewandt. Uns Raum gegeben. Wir durften uns zeigen. Es wurde nicht weg geschaut. Über das Sterben wurde gesprochen. Über das Leben im Sterben. Es wurde ausgehalten, wenn nichts mehr zu tun war. Angenommen werden, ausgehalten werden, Wärme und Herzlichkeit. Die Herzlichkeit der Haushaltskraft am Morgen. Die Kompetenz der Schwestern und Pfleger. Und Ärztinnen und Ärzte.

Alles im krassen Gegensatz zu unserer Situation zu Hause und den vielen Fällen von Inkompetenz, die wir erfahren mussten. Die Haltung ist wichtig. Die Haltung. Das Zulassen, das Aussprechen, das In-die-Wirklichkeit-holen. Anne sagt: "Wichtig ist, über das Sterben zu sprechen, auch wenn es weh tut."

Zu Hause hat uns das SAPV-Team getragen, 24 Stunden Rufbereitschaft, Partner auf Augenhöhe in allen, aber wirklich allen Lebenslagen. Wir haben nach belastbaren Partnern gesucht und sie im SAPV-Team und im Hospiz gefunden. Und festgehalten.

Jette schnappt sich das Mikro. Unsere Redezeit ist vorbei, es gibt Applaus aus dem Publikum. Wir atmen durch beim Hinsetzen. Wir sind zufrieden, wir haben uns gezeigt, wir sind auch erschöpft von der Anstrengung.

Offizielle Bilder und Worte sind auf dem Facebook-Account der Björn Schulz Stiftung zu finden. Foto: privat.

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