, Kinderhospiz

Um 5.00 Uhr bin ich wach. Klara schläft. Ich küsse sie. Tränen. Mein Herz. Zieht sich zusammen. Schmerzt. Uli. Uli ist nicht da. Ich bleibe liegen. Einatmen und Ausatmen.

Josef, mein Josef. Die Tür klappert. Uli. Legt sich ins Bett. Ich stehe auf. Gehe ins Bad. Wasser in meinem Gesicht. Wasser. Ich schaue nicht in den Spiegel. Schaue nicht. Nichts mehr zu sehen. In mir. Unruhe. Ruhe. Kein Morgen. Kein Gestern. Nur heute. Nur jetzt. Mehr weiß ich nicht.

Ich gehe zu Josef. Uli kommt mit. Klara, meine Klara. Ist wach. Möchte fernsehen. Ja, sage ich. Ja. Ich rufe in der Schule an. Sage freundlich, Klara kommt nicht. Ihr Bruder ist am Samstag gestorben. Die Worte am anderen Ende höre ich nicht mehr.

Josef, mein Josef. Ganz kalt. Ich küsse ihn. Seine Haut. Ganz kalt. Nicht mehr weich. Seine Locken so schön. Josef, mein Josef. Der Pfleger. Bringt Kaffee. Tee. Wir sprechen. Über heute.

Er fragt, ob sich der Pflegedienst verabschieden darf. Wir vereinbaren eine Zeit von zwei Stunden. Die wollen wir schenken. Den Schwestern vom Pflegedienst. Wollen nicht dabei sein, wenn sie kommen.

Der Pfleger. Der liebe Pfleger sagt, er wird dabei sein. Kümmert sich. Danke, sage ich. Danke. Uli und ich. Wir warten. Auf die Ärztin von der Neonatologie. Die Ärztin, die damals Josef als erstes in der Klinik versorgt hat. Nach dem Nachdienst wird sie kommen, hat sie gesagt.

Wir warten vor dem Kinderhospiz. Sonne. Die Sonne scheint. Ein Auto hält an. die Physiotherapeutin. Fragt, ob wir mit Josef im Kinderhospiz sind. Ich sage, er ist tot. Josef ist gestorben. Sie sagt, aber die Schwester hat gesagt, er ist stabil. Mein Herz. Fest zusammengeschnürt. Sie fährt wieder. Fährt.

Tränen. Die Ärztin kommt. Zu Josef. Wir reden. Sie tut mir gut. Kennt ihn von Anfang bis zum Ende. Josef, mein Josef. Das Ende? Was ist das Ende? Ist das das Ende? Ich bin mir nicht mehr sicher. Die Ärztin geht.

Menschen kommen. Weniger Menschen. Langsam fühle ich mich sicher. Mit Josef. Hier. Uli und der Pfleger tragen den Sarg in das Elterngemeinschafszimmer. Vorsicht sollen sie sein. Andere Eltern sollen keinen Schrecken bekommen. Ich weiß nicht mehr.

Den Sarg. Wir bemalen ihn. Bunt. Klara eine Seite. Uli den Deckel. Ich eine Seite. Josef. Josef steht auch darauf. Mein Herz. Ich weiß nicht, mein Herz. Schmerz. Es ist anders als Schmerz. Ein anderes Gefühl. Ohne Namen. In der Zeit als wir den Sarg bemalen, können die Pflegekräfte kommen.

Nach zwei Stunden ist der Sarg bemalt. Es kam keine Pflegekraft. Keine. Kein Abschied. Da ist Wut. In mir. Enttäuschung. Ganz intensiv. Alles ganz intensiv. Dennoch. Außerhalb von. Wie in einer Blase. In einer Wolke. In einem anderen Raum. Außerhalb. Nur wenige dringen vor. Zu mir. Zu uns.

Der Sarg. Wir tragen ihn zu Josef. Vorsichtig sollen wir sein. Vorsichtig. Der Pfleger sagt, es wäre schön, Josef noch einmal umzuziehen. Ihn dann in den Sarg zu legen. Was wir denken. Ich weiß nicht, sage ich. Ich weiß nicht. Dann ja. Dann ja. Wir verabreden eine Zeit.

Der Musiktherapeut kommt. Eine vertraute Schwester. Der Pfleger. Uli. Ich. Klara möchte nicht dabei sein. Hat genug, sagt sie. Hat genug. Ich decke Josef auf. Der Pfleger bei mir. Sagt, Josef fühlt sich ganz schlapp an. Ich kenne es von ihm. Es wird nichts passieren. Der Musiktherapeut spielt Gitarre. Uli lässt die Aufnahme abspielen. Von Josefs Atem. Kurz bevor er aufhörte, zu atmen.

Ganz innig ziehe ich Josef aus. Ganz innig. Rede mit Josef. Berühre ihn. Er ist ganz kalt. Ich küsse ihn. Überall. Tränen. Sanfte Tränen. Glück, ihn berühren zu dürfen. Uli übernimmt. Dann halte ich ihn in meinem Arm. Wie immer. Küsse ihn. Wiege ihn.

Er ist ganz kalt. Das macht mir nichts. In mir strömt es. Alle Gefühle durchströmen mich. Ich küsse Josef immer wieder. Uli nimmt ihn in seinen Arm. Dann. Lege ich das Fell in Sarg. Ein Unterhemd von mir.

Uli legt Josef in den Sarg. Wir machen es ihm gemütlich. Die Kuscheltiere. Der Bär. Der Buddha. Ich decke ihn zu. Mit seiner Wolldecke. Er soll es doch gemütlich haben. Wir legen Blumen auf Josef. Den Apfel.

Dann sitzen wir zusammen. Trinken heißen Tee. Wir gehen zu Klara. Essen. Abendbrot. Die Hauswirtschaftsfrau hat zu mir gesagt: Anne, du musst essen. Josef möchte, dass du isst. Sie hat recht. So recht.

Klara. Wir bringen Klara ins Bett. Sie liest uns vor. Wir schauen fern.

Gehen zu Josef. Eine Palliativärztin kommt. Wir reden. Ganz behutsam. Ruhig. Ruhe. Irgendwann gehen wir ins Bett. Schlaf.

Zuletzt aktualisiert am: 05.10.2019


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