, Zu Hause 2
Josef, mein Josef. Du bist nicht bei uns. Doch wir wissen, wo du bist. Wo dein Körper ist. In Rixdorf. Dort bist du. Du wirst gekühlt.
Es beruhigt mich zu wissen, wo du bist. Zu wissen, wo der Ort ist. Zu wissen. Früher waren wir oft dort, mein Josef. Früher. Mit deiner Schwester. Waren spazieren dort. Haben Feste gefeiert. Und nun. Nun bist du dort. Der Gedanke. Das Wissen. Darum zu wissen, wo du bist, tröstet mich. Tröstet mich.
Als du fortgebracht wurdest, mein Josef. Fort. Da fing es an zu regnen. Bis dahin schien die Sonne. Ganz hell und warm, war sie. Und dann. Dann fing der Regen an. Der Himmel weinte. Er weinte. Mit uns. Josef, mein Josef.
Bist du sicher, mein Josef? Wird dich niemand mehr berühren? Anfassen? Etwas mit dir tun? Nein, hat die Bestatterin gesagt, nein. Der Sarg bleibt verschlossen, mein Josef. Du bist sicher. Das tröstet mich. Irgendwie tröstet es mich. Du bist sicher an einem Ort, den ich kenne. Niemand wird dich mehr berühren. Dich anfassen. Du bist sicher, mein Josef. Sicher.
Haben sie einen Friedhof, wurden wir gefragt. Wo soll Josef beerdigt werden? Wo? Nein, haben wir gesagt. Geben sie uns Bescheid, wurde uns gesagt. Schauen sie sich die Friedhöfe an. Ja, haben wir gesagt. Ja. Dann. Klara in die Schule. Jeden Morgen ist sie los. Wir. Wir. Sind losgefahren. Was tun? Auf die Friedhöfe.
Es regnet. Die ganze Zeit. Regen. Grauer Himmel. Ich friere. Die ganze Zeit. Kann nichts essen. Trinke heißen Tee. Hilft nicht. Josef, mein Josef. Wonach sollen wir den Ort für dich suchen? Wonach entscheiden? Wie soll das gehen? Josef, mein Josef.
Uli fährt das Auto. Durch die Stadt. Parkt. An den Friedhöfen. Dann laufen wir. Es regnet. Immer Regen. Der Himmel weint. Josef, mein Josef. Der Himmel weint. Wir auch. Wir suchen den Ort, mein Josef. Für dich. Für uns. Und wissen nicht, wie wir ihn finden sollen. DEN ORT. Wie? Wonach suchen wir? Wonach?
Wir haben eine Liste mit den Friedhöfen bekommen. Listen mit den Friedhöfen, die Kindergräberfelder haben. Kindergräberfelder. Das klingt. Nicht gut. Gräberfelder. Kindergräberfelder. Eingezeichnet sind sie in den Plänen. Wir suchen. Auf jedem Friedhof nach dem Ort, wo auch du liegen würdest, mein Josef. Auch du. Auf einem Kindergräberfeld.
Auf manchen Friedöfen ist es bunt. Auf den Gräberfeldern. Und doch fühlt es sich nicht richtig an. Josef, mein Josef. Du hier und wir hier? Weiter, sage ich zu Uli. Weiter. Lass uns weitersuchen. Nächster Friedhof. Nächster. Nächster. Es regnet. Regnet. Mir ist kalt. Ich fühle mich außerhalb. Gleichzeitig getrieben. Den richtigen Ort zu finden. Für dich, mein Josef. Für uns.
Ich kann was für dich tun, mein Josef. Sorgfältig sein, mein Josef. Sorgfältig. Weiter, mein Uli, weiter. Lass uns suchen. Weiter. Wie viele Friedhöfe waren es nun? Wie viele? 10 Friedhöfe? 12? Wir haben noch keinen Ort hier in der Stadt. Müssen ihn finden, mein Josef. Unseren Ort. Und sind doch orientierungslos. Nur der Plan in unserer Hand mit den Orten.
Uli fragt die Seelsorgerin. Fragt, kennst du einen Friedhof den du empfehlen kannst. Wie das klingt? Ein Friedhof empfehlen. Wie das klingt. Sie erzählt von einem Friedhof. Sagt, er ist laut. Flugzeuge fliegen darüber. Ein großes Sternenkinderfeld. Bunt ist es. Die Friedhofsverwaltung ist freundlich. Gut, sagt Uli. Gut.
Wir steigen ins Auto. Fahren hin. Auf den Friedhof. Nicht weit weg von uns. Eine Viertelstunde mit dem Auto. Sind dort. Parken das Auto. Gehen auf den Friedhof. Finden das Kindergräberfeld. Nein, sage ich. nein. Hier nicht. So dunkel.
Dann. Laufen wir zum Sternenkinderfeld. Es ist hell. Ganz hell. Daneben. Eine freie Grabstelle. Daneben. Nicht direkt bei den Kindern.
Uli und ich. Stellen uns davor. Der Regen hört auf. Die Sonne zeigt sich. Hier ist der Ort. Hier. Uli schreibt die Daten auf. Von der Grabstelle. Ruft an. Bei der Bestatterin. Sagt, wir haben den Ort. Haben den Friedhof. Wie geht es weiter? Sie kümmert sich, sagt sie. Kümmert sich.
Wir. Wir fahren nach Hause. Müde. Erschöpft. Wir haben den Ort gefunden, mein Josef. Haben ihn. Für dich. Für uns. In meinem Kopf. Der Gedanke. Hoffentlich nimmt uns niemand diesen Ort weg. Diese Grabstelle. Absurd, denke ich. Absurd. Dennoch. Dieser Gedanke.
Ich lege mich in heiße Wanne. Im Dunkeln. Liege dort. Stunden. Das heiße Wasser lasse ich nachlaufen. Irgendwann. Klara kommt. Irgendwann. Ich steige aus. Aus der Wanne. Ich funktioniere wieder. Für Klara. Danke, meine Klara. Danke.
Zuletzt aktualisiert am: 09.10.2019