, Zu Hause 2
Der Wecker klingelt. Es ist 6.30 Uhr. Ich bin müde. Angespannt und müde. Ich stehe auf. Höre die Tür klappern. Warte. Gehe ins Bad. Wasche mich. Einatmen und Ausatmen.
Ich gehe in die Wohnküche. Setze Wasser auf. Für Tee und Kaffee. Decke den Frühstückstisch. Kinder kommen. Auf den Schulhof. Klara kuschelt sich an mich. Ich küsse sie. Auf ihren Kopf. Uli setzt sich zu Klara.
Ich gehe in Josefs Zimmer. Er schläft. Mein Josef schläft. Herzfrequenz 110. Sauerstoffsättigung 94. Ich werde leichter. Freue mich. Wie sehr mein innerer Zustand von diesen Werten abhängt, denke ich. Ist es nicht normal? Mitzufühlen? Mit seinem Kind?
Woher weiß ich denn, wie sich Josef fühlt? Woher? Was bedeuten diese Zahlen? Einatmen und Ausatmen. Die Schwester steht bei Josef. Gibt ihm Tee. Medikamente. Ich frage nach der Nacht.
Sie sagt, Josef hatte wieder Sprünge in der Herzfrequenz. Zeitweise bis zu 60 Schlägen in der Minute. Ungefähr eine Stunde war es so. Die Sauerstoffsättigung war dabei stabil. Okay, sage ich. Okay. Sonst schlief er durch. Viel Sekret. Kein Fieber und keine sichtbaren Krämpfe. Gut, sage ich. Gut.
Ich streichle Josefs Kopf. Seine schönen kurzen Locken. Küsse ihn. Klara geht los. Los in die Schule. Die Schwester räumt. Spült. Wechselt aus. Zieht auf. Verabschiedet sich. Uli verwandelt das Schlafzimmer in ein Arbeitszimmer.
Josef schläft. Schlaf, mein Josef schlaf. Dann wird es mir doch schwer. Ein wenig schwer wird mein Herz. Josef, mein Josef. Ich lege meine Hand auf seinen Kopf. Küsse ihn immer wieder. Es klingelt. Die Schwester. Einatmen und Ausatmen.
Ich lasse sie mit Josef allein. Sage, sie soll mich bitte holen, wenn Josef wach wird. Ja, sagt sie. Ja. Ich mache mir zu schaffen. In der Wohnung. Rufe bei der Krankenkasse an. Frage nach einem Antrag für eine Haushaltshilfe. Wird mir zugeschickt, sagt die Frau am Telefon.
Ich frage nach dem palliativen Kinderkrankengeld. Sie sagt, der Antrag dafür ist im Rechner. Die Krankengeldstelle wird sich bei mir melden. Wann, frage ich? Das kann sie mir nicht sagen. Okay, sage ich. Okay. Einatmen und Ausatmen.
Die Tür von Josefs Zimmer knarrt. Die Schwester. Sagt, Josef ist wach. Ich gehe zu ihm. Seine Atmung ist schwer. Die Schwester hat schon die Inhalation vorbereitet. Ich küsse Josef. Lege ihn in den Arm der Schwester.
Rufe beim SAPV-Team an. Berichte. Von den Herzfrequenzen. Frage, ob jemand kommen kann. Ja, sagt die SAPV-Schwester. Ja. Am frühen Nachmittag wird die Ärztin kommen. Danke, sage ich. Bin etwas erleichtert.
Es klingelt. Die Physiotherapeutin. Ich schaue schon lange nicht mehr auf die Uhr, wenn sie kommt. Wenn sie da ist, ist sie da. Dennoch. Dennoch. Ärgere ich mich. Ein wenig.
Heute ist sie aber genau zum richtigen Zeitpunkt für Josef da. Nach dem Erwachen. Dann, wenn er am meisten Probleme mit dem Sekret hat. Sie dreht und wendet Josef. Das Sekret läuft. Teilweise ist das Sekret brockig.
Die Schwester saugt Josef mehrmals ab. Ich nehme ihn. Halte Josef. Küsse ihn. Guten Morgen, mein Bär. Die Physiotherapeutin verabschiedet sich. Muss weiter. Ist spät dran.
Ich ziehe Josef vorsichtig um. Küsse ihn. Er bekommt seinen Morgenbrei im Therapiestuhl. Schlummert wieder ein. Sieht ganz verwegen aus. In seinem Therapiethron. Die Schwester setzt ihm eine Mütze auf. Kuschelt ihn ein. Öffnet das Fenster. Frischlufttherapie.
Um 13.30 Uhr klingelt es. Die Ärztin. Sie untersucht Josef. Hört ihn ab. Sagt, alles gut. Soweit. Die Herzfrequenzschwankungen müssen wir hinnehmen. Annehmen. Können nichts machen. Sie gehören zu Josef. Okay, sage ich. Okay. Josef verändert sich. Ja, sagt sie.
Er verändert sich. Wandelt sich. Das ist manchmal nicht leicht, sage ich. Ich weiß, sagt sie. Ich weiß. Sie verabschiedet sich. Ich hole Klara vom Hort ab. Sie möchte gern noch auf dem Spielplatz spielen. Ihre Freundin mit ihrer Mutter sind auch da.
Ich habe keine Zeit, sage ich. Die Schwester geht doch gleich. Die Mutter sagt, sie passt auf. Bringt Klara später nach Hause. Schon sind die Mädchen verschwunden. Danke, sage ich. Freue mich. Für Klara.
Zu Hause. Josef sitzt in seinem Therapiestuhl und schlummert. Die Schwester geht. Tee. Kaffee. Kekse. Josef wird wach. Ich inhaliere. Sauge ab. Nehme Josef aus seinem Stuhl. Lege ihn mir über die Knie. Helfe ihm. Beim Atmen. Atmen, mein Josef. Atmen.
Gegen 17.00 Uhr klingelt es. Klara wird gebracht. Ich bedanke mich bei der Mutter. Kein Problem, sagt sie. Ich weiß, es stimmt. Für sie ist es kein Problem. Sie rechnet nicht innerlich auf.
Uli macht Feierabend. Bereitet das Abendbrot vor. Brot. Zusammen schauen wir Kinderfernsehen. Uli bringt Klara ins Bett. Liest ihr vor. Macht ihr das Hörspiel an. Josef liegt auf mir. Seine Atmung ist etwas angestrengt. Ich inhaliere ihn noch einmal. Sauge ihn ab. Lege ihn mir auf meine Knie.
Um 21.30 Uhr klingelt es. Die Schwester. Ich lege Josef vorsichtig in sein Bett. Herzfrequenz 110. Sauerstoffsättigung 94. Wir gehen ins Bett. Schlafen.
Zuletzt aktualisiert am: 24.12.2019